Inhaltsverzeichnis

Der moderne Mensch steht vor interessanten Herausforderungen. In der westlichen Hemisphäre herrschen Überfluss und Luxus, sodass eine harte, überlebensträchtige Notwendigkeit ausbleibt. Nicht selten fällt es Menschen schwerer aus dieser Überfülle Sinn und Motivation zu schöpfen und für sich einen sinnreichen Weg zu schaffen. Wenn vorherige Generationen durch die Härte des Alltags keine Zeit hatten, die Frage der persönlichen Selbstgestaltung zu bestimmen und ihr Leben danach auszurichten, so steht der moderne Mensch unweigerlich vor dieser Frage, sofern er nicht am Überfluss der Möglichkeiten ertrinken will.

Schönheit als Sinngeber

Wir Menschen brauchen einen Sinn, sofern wir unser Handeln langfristig und konsequent ausrichten wollen. Doch woher dieser Sinn? Für Nietzsche ist das Leben nur als „ästhetisches Phänomen“[1] rechtfertigbar. Nur durch eine empfundene Schönheit finden wir Gründe nicht nur überleben zu wollen, sondern auch Gründe unserem Leben gestalterisch entgegenzutreten. Der Lebenswille des Menschen kann nicht aus einer objektiven und wertfreien Perspektive rechtfertigt werden. Nur der individuelle Mensch und seine individuelle Wertsetzung kann das Schöne bestimmen, wodurch das Individuum Kraft und Sinn erhält, Leiden und Beschwernisse überwinden zu wollen.

Bildung als ästhetischer Prozess

Die Bildung ist ein langfristiger Prozess, die das Ziel verfolgt, Vorstellungen in die Realität umzusetzen. Der Bild-ner will etwas bilden und muss sich dafür in den Prozess der Bildung begehen. Was wohl viele Leute am modernen Bildungssystem stört, ist ihr unpersönlicher Bildungsprozess, der lediglich ab-bilden will und die Probleme des Einzelnen nicht berücksichtigt. Als Antwort auf das Problem der unpersönlichen Bildung soll der Self-Improvement Markt Abhilfe leisten und dem Individuum zu mehr Persönlichkeit verhelfen.

Die Tücken der Selbstverbesserung

Die Unpersönlichkeit bleibt aber auch bei den vermeintlichen Verbesserern des Selbst erhalten. Oberflächliche und dogmatische Motivationsgeber á la Rich Dad, Poor Dad, The 10x Rule, Think and Grow Rich schlagen Schaum und treiben die Gier und Unreflektiertheit des Einzelnen weiter. Was wird da wirklich verbessert? Nicht selten treiben Selbsthilfe-Ratgeber lediglich die Gefühle des Lesers ohne zureichenden Grund hoch, sodass diese sich anschließend gut und positiv eingestellt fühlen. Folgen davon sind Phänomene der toxischen Positivität, die in Naivität und einer schadhaften Gutmütigkeit resultieren. Den Selbstverbesserern mangelt es zudem oft an einem größeren Stil. Nicht jede vermeintliche Schwäche ist an sich schlecht. Für viele Menschen kann gerade ihre Schwäche auch eine Möglichkeit zur Stärke sein. Musiker und Künstler profitieren von Feinsinnigkeit und Sensibilität und verlieren ihr Talent, sofern man diese durch ökonomische Gründe motivieren und ihnen eine härtere Unternehmer-Attitüde einverleiben will.

Selbstbildung anstatt Selbstverbesserung

Wer wirklich etwas aus sich machen will, bedarf eher der Selbstbildung anstelle der Selbstverbesserung. Der sich bildende Mensch will sich nicht bloß verbessern, sondern in erster Linie erschaffen. Er verfolgt eine Vision von sich selbst, anstelle lediglich der blinden Verbesserung einzelner charakteristischer Ausprägungen.

Aus einer Perspektive der Selbstbildung streben wir bei FurtherMe nach Ästhetik. „Wer möchtest du sein?“, „Wer musst du dafür werden?“ und „Wie erreichst du das?“ sind für uns zentrale Fragen. Die Selbstbildung bedarf der individuellen Bestimmung von Ziel und Methodik. Die eigene Gestaltung des Selbst ist dabei an keine Formalia geknüpft, sondern entwickelt sich eigenständig in Gespräch, Beobachtung, Erkundung und dem Hören und Lesen. Für die Selbstbildung bedarf es allerdings der kritischen Haltung. Sofern Empfehlungen angenommen werden wollen, müssen diese auch kritisch betrachtet werden können, um die eigene Persönlichkeit zu wahren und sich nicht durch ein Zu-Viel an Fremdbeeinflussung zu verlieren. Das große Ziel ist es dabei, ein schönes und bejahenswertes Leben zu bilden.

Die Frage nach der Schönheit

Aber was ist schön? Schöne Menschen erkennen wir nicht nur an physiologischen Merkmalen wie Haltung und Bewegung, sondern auch an geistigen Merkmalen wie Mut oder Resilienz. Die Anmutigkeit eines Raubtiers enthält ähnlich schöne Züge wie die Anmut eines Profi-Sportlers, der sich geschickt zu bewegen weiß. Wer nur äußerlich schön ist, weist nur eine beschränkte Schönheit auf. Ein rein optisch „schöner“ Mensch kann durch seinen Mangel an Haltung durchaus hässlich erscheinen.

Warum wir etwas als schön und etwas als hässlisch empfinden, lässt sich wohl zum Teil aus unserer eigenen Biologie herleiten. So argumentiert Geoffrey Miller in seinem Buch „Die sexuelle Evolution“[2] dafür, dass wir am anderen Geschlecht eben die Eigenschaften schätzen, welche wir für unsere Lebensgestaltung für nützlich halten. Der Humor gibt Auskunft über die Intelligenz und Geschwindigkeit der Auffassungsgabe und die elegante Bewegung weist auf einen gesunden und selbstmächtigen Körper hin. Je nach unserer kulturellen Umwelt und unseren eigenen Werten, empfinden wir daher das Schöne auch unterschiedlich. Dass wir aber das Schöne schätzen, scheint ein universeller Wert zu sein. Da dieser Wert nun allerdings nicht für sich stehen kann, sondern einer Interpretation bedarf, kommt der Mensch zu einer Vielzahl von ästhetischen Meinungen. Schönheit ist damit zum einen biologisch und zum anderen kulturell geprägt.

Ästhetische Selbstbildung

Wenn wir die Ästhetik insbesondere für unsere Selbstbildung gebrauchen wollen, so müssen wir sie im Sinne einer Lebenskunst verstehen. Das Streben nach Schönheit - als höchster Wert - kann nur in einer Gesamtheit von Werten erreicht werden. Das bedeutet, dass kein Wert isoliert, sondern in seinem Wechselverhältnis zu anderen gewichtet und beurteilt werden muss. Zum Beispiel würden nur wenige Menschen ein absolut „freies Leben“ ohne jegliche Bindung und Geborgenheit anziehend finden. Ein komfortables Leben ohne gelegentliche Herausforderung wohl auch nicht. Oft scheint es daher, dass uns einseitige Menschen als nicht sehr schön erscheinen. Der geldhungrige Unternehmer, blind für alles andere außer Erfolg und Macht, der physisch verwesende Akademiker oder der primitive Sportler, erweisen sich als Menschen ohne das richtige Maß. Sie sind Entartungen ihrer Triebe und weisen keine Form und Harmonie mehr auf, wodurch sie an Schönheit verlieren.

Und woher kommt Schönheit? Evolutionär betrachtet, ist die eigene Schönheit (oder auch Hässlichkeit) ein langer Adaptionsprozess. Schönheit scheint dabei eine Korrelation mit Gesundheit und Intelligenz aufzuweisen [3]. Schöne Menschen sind demnach intelligenter und gesünder als ihre nicht so schönen Mitmenschen. Nun ist selbstredend Schönheit nichts Objektives, sondern etwas Subjektives und vor allem vom individuellen Werte-Geschmack abhängiges. So herrscht in Nordeuropa beispielsweise ein anderer Schönheitsstandard als in Westafrika. Und diesen kollektiven Geschmäckern steht wiederum ein individueller Geschmack gegenüber, der noch spezifischer sein kann. Menschen mit ähnlichen Werten schätzen andere Menschen mit ähnlichen Werten. Entsprechend pflanzen sich diejenigen Menschen mit ähnlichen Werten fort, sodass sich geistige und physische Merkmale zusehends häufen und charakteristisch für Kulturen werden. Wer sich selber schätzt und in einer Gemeinde von Gleichgesinnten lebt, schätzt so auch seine Gemeinde als schön ein.

Ästhetische Vollkommenheit

Für eine vollkommene Ästhetik scheint es relevant, alle schätzenswerten Werte in ihrem Wechselverhältnis und Maß zu berücksichtigen, um ein harmonisches Ganzes zu gestalten. Der geldhungrige Unternehmer achtet nur seinen ökonomischen Erfolg, sodass Werte wie Gesundheit oder physische Leistungsfähigkeit sich rückentwickeln. Den geldhungrigen Unternehmen empfinden daher auch nur die Wenigsten als besonders ästhethisch. Betrachten wir den Menschen als ein biologisches Wesen, so scheint es äußerst unklug und hässlisch zu sein, seine biologischen Grundbedürfnisse zu ignorieren. Das Fundament eines jeden schönen Lebens liegt in Herausforderungen physischer und geistiger Natur. Der einseitige Sportler, welcher sich nicht auszudrücken vermag und nur einem Ball hinterherzulaufen weiß, erscheint nur selten als ein vollkommenes Wesen. Genauso erscheint auch der bleichsüchtige Akademiker als ein unvollkommenes Wesen. Wer hingegen sportlicher Betätigung sowie auch geistigen und sozialen Tätigkeiten nachgeht, erweitert sein Repertoire an Stärken und Erfahrungen und wirkt allgemein ästhetischer.

Eine gesunde Harmonie wirkt schöner auf uns, weil sie auch eine höhere Form und Ordnung darstellt. Der Langläufer braucht nach seiner physischen Beschäftigung Erholung und komplementiert diese durch geistige Herausforderungen, der er sich im Schach widmet. Exzess und Übersättigung werden so vermieden, weil der Entartung Werte entgegengestellt werden, um diese produktiv zu begrenzen. Der Mensch wird schöner, weil er sich eben nicht abnutzt, sondern seine Kräfte förderlich einzusetzen versteht.

Um aus sich selbst einen ästhetischen Menschen zu machen, bedarf der Mensch daher grundlegend der Selbstbildung. Er muss auf Basis eigener Urteile seine Stärken und Schwächen, Möglichkeiten und Risiken einschätzen und sich auf eine Reise der Selbstgestaltung und Lebensbejahung aufmachen. Sofern jemand wirklich schön werden will, kann er sich nicht auf allgemeingültige Ratschlage verlassen, sondern muss sie stets individuell ausdifferenzieren. So wie es keine objektive Schönheit gibt, gibt es auch keine objektiven Handlungspflichten. Der individuelle Geschmack des Schönen soll maßgebend sein, wie die Selbstbildung vollzogen werden soll. Wir bei FurtherMe dienen dabei dem Individuum als kritischer Reflexionspunkt und Sparringspartner, um dem Individuum zur eigenen Schönheit zu verhelfen.

[1] Nietzsche, Friedrich; Geburt der Tragödie § 5

[2] Miller, Geoffrey; Die sexuelle Evolution

[3] Kanazawa, Satoshi; https://www.psychologytoday.com/intl/blog/the-scientific-fundamentalist/201012/beautiful-people-really-are-more-intelligent

Facetten der Schönheit

Facetten der Schönheit

Harmonie gilt als ein bewährtes Mittel, um Schönheit zu bewerten. Doch was ist harmonisch bzw. was kann es sein? Nicht nur das angenehme und wohltuende, sondern auch das wilde und berauschende besitzen eine spannende Harmonie. Aber wie kann ich das für meine eigene Lebensreise nutzen?

Weiterlesen

Sinnfindung