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Der Satyr als Symbol der Sinnlichkeit

In den Wäldern des antiken Griechenlands lebt ein Satyr, ein Wesen, das zur Hälfte Mensch und zur Hälfte Tier ist. Satyre gelten als mythologische Mischwesen zwischen Mensch und Pferd mit überwiegendem tierischen Anteil. Der Satyr verkörpert die Übersinnlichkeit durch seine tierischen Anteile: Die Haut mit ihren haarigen Antennen für das Fühlen, die spitzen Ohren für ein intensives Hören, die elegante Bewegung durch Pferdebeine und Hufe sowie das markante Glied als Ausdruck der Zeugungskraft.

Als Verkörperung der Übersinnlichkeit und des Lebensgenusses hat der Satyr eine besondere Fähigkeit, die Welt in ihrer ganzen Fülle und Schönheit wahrzunehmen. Seine scharfen Sinne ermöglichen es ihm, die feinsten Klänge der Natur zu hören, die vielfältigsten Düfte zu riechen und die Schönheit seiner Umgebung in all ihren Facetten zu schätzen. Er ist bekannt für seine lebenslustige Natur, die er oft mit Feiern, Musik, Tanz und Liebe auslebt.

Der Satyr ist aber ein zwiespältiges Wesen und entartet gerne ins Extrem. Seine animalische Natur lässt ihn zwar feiner und intensiver wahrnehmen, doch gleichzeitig auch unkontrollierter und exzessiver ausschweifen. In der griechischen Mythologie werden sie als Störenfriede dargestellt, welche die gesellschaftliche Ordnung herausfordern und durch ihre Wildheit Probleme bereiten.

Auf der einen Seite fasziniert der Satyr durch seine Naturverbundenheit und Instinktsicherheit, auf der anderen Seite widert er durch seine Maßlosigkeit und Ungerechtigkeit an. Der Satyr fasziniert als mythologische Kreatur, da er uns viel über unsere menschliche Natur, unsere Triebe und unsere Verbindung zur natürlichen Welt lehren kann.

Die Tatsache, dass der Satyr halb Mensch, halb Tier ist, zeigt die Dualität der menschlichen Natur auf. Wir sind sowohl rational als auch instinktiv, sowohl zivilisiert als auch animalisch. Der Satyr erinnert uns daran, dass wir, obwohl wir uns als vernünftige und zivilisierte Wesen betrachten, auch von unseren animalischen Instinkten und Trieben beeinflusst werden.

Der Satyr ist ein Symbol der Lebensfreude und der sinnlichen Erfahrung. Er zeigt uns, dass es wichtig ist, die Freuden des Lebens zu genießen und unsere sinnlichen Erfahrungen wertzuschätzen. Satyre schätzen die Freude insbesondere durch ihre starke Sinnlichkeit. Das tierische und animalische in Form von hemmungslosen Festen und Orgien lässt unser Herz höherschlagen. Da der Satyr aber auch halb Mensch ist, schätzt er auch die „milderen Sinnlichkeiten“ in Form von Tanz, Musik und Kunst.

Diese einleitende Darstellung des Satyr lädt uns dazu ein, in seine Fußstapfen zu treten und unsere eigene Sinnlichkeit und Wahrnehmung näher kennenzulernen. Durch die Entwicklung unserer Sinne und die bewusste Wahrnehmung der Welt um uns herum, können wir ein tieferes Verständnis unserer Selbst und unserer Umgebung entwickeln. Dieser Artikel untersucht, wie wir unsere Sinnlichkeit und Wahrnehmung schulen können, um unser Selbst ästhetisch zu gestalten und unser Leben mit Schönheit und Bedeutung zu füllen.

Die vielen Kinder der Sinnlichkeit

Die Sinnlichkeit gibt dem Menschen grundsätzlich Sinn im Leben. Sie lässt einen fühlen und wahrnehmen und kann dabei in viele kleinere Eigenschaften unterteilt werden. Attribute wie Feinsinnigkeit, Sensibilität oder auch Kreativität lassen sich der Sinnlichkeit zurechnen. Sinnlichkeit beschreibt die Empfänglichkeit für die Reize der Umwelt, sowie unserer eigenen körperlichen, emotionalen und geistigen Empfindungen. Sie stellt die physiologisch und psychologisch bedingte Möglichkeit des Menschen dar, mit Hilfe seiner Sinne die ihm umgebenden Reize wahrzunehmen und zu empfinden. Menschen mit starken Ausprägungen in diesen Attributen sind meistens als Künstler, Tänzer, Schriftsteller, Schauspieler, Wissenschaftler, Psychologen o.ä. tätig. Sie sehen und empfinden mehr als andere Menschen und können durch ihre feine Natur auch unkonventionellere Werke erschaffen. Ein interessanter Roman, eine kluge Philosophie, ein schönes Bild oder auch eine clevere Lösung für ein komplexes Problem - ohne eine Feinheit im Denken und Wahrnehmen kommen diese Werke nicht zustande. Große Werke brauchen außerordentliche Menschen. Sofern ein Mensch daher gerne außerordentliches leisten will, muss seine Sinnlichkeit in irgendeiner Weise markante Ausprägungen aufweisen.

Pipi Langstrumpf als Ästhetikerin

Aber auch jenseits des schöpferischen Handwerks erweist sich eine Feinheit in der Wahrnehmung als lebensdienlich. Pippi Langstrumpf malt sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Die freche und lebensfrohe junge Dame dient uns als Vorbild für ein ästhetisch gestaltetes Leben. Aber auch Frau Langstrumpf kann mit den Härten des Lebens umgehen und ihnen eine Schönheit abgewinnen. In dem Buch „Pippi in Taka-Tuka-Land“ beschreibt Astrid Lindgren, wie Pippi beschließt, das Haus von Herrn Nilsson, dem Affen zu verschönern. Sie malt das heruntergekommene Haus mit Tinte in verschiedenen Farben und Mustern an und bringt damit ihre künstlerische Seite zum Ausdruck. Sie bricht mit der Tristesse, indem sie die Hässlichkeit überwindet und daraus etwas Einzigartiges macht. Pippi will eine lebensbejahende Person sein und sucht sich daher entsprechende Möglichkeiten. Die ästhetische Erfahrung stellt sich dabei nicht von selbst ein, sondern muss erst errungen werden.

Ohne einen inneren Kompass des Schönen und Erstrebenswerten irren wir Menschen ziellos umher. So bleiben unsere Motive und Gründe für eine Vielzahl von Handlungen unreflektiert und wir drehen uns im Kreis. Wir sind – um es mit Heidegger zu sagen – mehr ins Da-Sein geworfen, als dass wir es entwerfen. Wir finden uns in unserem Da-Sein vor und reagieren auf gegenwärtige Situationen. Eine aktive Haltung, die um Schönheit ringt, wandelt unsere Geworfenheit in einen künstlerischen Entwurf um. Die Fähigkeit Schönheit zu erkennen kann befreiend auf uns wirken, indem wir uns von vermeintlich schlechten Perspektiven lösen und neue schätzenswerte Eigenschaften an Etwas entdecken. Schönheit erkennen zu wollen, kann als ein Widerstand gegen eine geist- und sinneslose Wahrnehmung verstanden werden, die sich gegen gewohnte Perspektiven und Bewertungen stellt. Eine solche Haltung schult die Sinnlichkeit. Pippi erkennt am heruntergekommenen Haus nicht nur die Möglichkeit sich kreativ auszutoben, sondern auch die Chance, ihren Willen in förderliche Bahnen zu lenken.

Im Gegensatz zum Satyr verkörpert Pippi eine realistische Attitüde für ein kreativ-gestaltendes Leben. Während der Satyr sein Da-Sein wild und unbeschwert auslebt, stoßen wir Menschen auf moralische Grenzen. Unser ästhetisches Verständnis ist oft an moralische Werte geknüpft, sodass die wenigsten einen hemmungslosen Exzess genießen und diesen als schön empfinden können. Fr. Langstrumpf ist daher auch als realistischeres Ideal zu betrachten, da sie Sinnlichkeit und Rationalität kunstvoller miteinander kombiniert. Pippi umgeht die Fallstricke der Rationalität, die in einer Abgestumpftheit, übertriebenen Zweckmäßigkeit und emotionalen Kälte liegen können. Eine kunstvolle und lebensgestaltende Aufgabe kann es daher sein, sein Optimum an Sinnlichkeit und Rationalität zu finden.

Sinnlichkeit als Inhalt und Rationalität als Form

Sinnlichkeit und Schönheit sind nicht getrennt voneinander zu betrachten. Der Begriff „Ästhetik“ leitet sich vom griechischen Wort „aisthesis“ ab, was „Wahrnehmung“ oder „Empfindung“ bedeutet. Sinnlichkeit bezieht sich auf die Wahrnehmung und das Erleben der Welt durch unsere Sinne – Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen. Ästhetische Erfahrungen sind eng mit der sinnlichen Wahrnehmung verbunden, da sie uns dazu bringen, auf die Schönheit und den Ausdruck in Kunst, Musik, Literatur und der natürlichen Welt zu reagieren. Kunst, Musik und Literatur sind aber wiederum durch die Rationalität geformt, da eine reine Sinnlichkeit formlos ist und erst durch die Rationalität eine Struktur bekommt und dadurch auf uns erst harmonisch wirkt.

Scharfsinnigkeit als ästhetische Qualität

Etwas Schönes erkennen wir meist nur spezifisch. Der Duft einer Blume, die Farbe der Rose oder das Aufblühen einer Tulpe. Auch unsere eigene Sinnlichkeit lässt sich nur spezifisch festmachen. Wenn wir aber etwas erkennen wollen, so müssen wir uns die einzelnen Wesenheiten näher anschauen. Durch ein konzentriertes Sehen eröffnen sich uns neue Perspektiven und damit neue ästhetische Erfahrungen. Als scharfsinnige Menschen bezeichnet man gerne Leute, die ausdifferenziert und präzise denken können. Die Scharfsinnigkeit bezieht sich aber auch auf die -Sinnigkeit, also auf eine Qualität, die weitreichend empfinden und wahrnehmen will. Sinnlichkeit kann dabei überall dort kultiviert werden, wo der Mensch seine Wahrnehmung intensivieren kann. Bei der Beobachtung der Natur, der Bewegung seines eigenen Körpers oder dem Lauschen des Vogelgesangs finden wir alltägliche Anknüpfungspunkte, um unsere Wahrnehmung zu intensivieren und zu schulen.

Ästhetische Wahrnehmung als Endzweck

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die eigene ästhetische Selbstgestaltung? Jede Gestaltung bedient sich Elementen, die zueinander abgestimmt werden wollen. Diese Elemente müssen aber zuerst erkannt werden. Wer unsinnlich durch diese Welt schreitet, verschließt sich gegen ästhetische Erfahrungen und entscheidet sich so – unbewusst – für eine willkürliche Selbstgestaltung. Wer sich hingegen um eine bewusste Selbstgestaltung bemüht, gewinnt nicht nur an Stil, also einer künstlerischen Stringenz in der eigenen Lebensgestaltung, sondern auch an Sinn im Sinne einer Lebensbejahung. Denn Schönheit schützt vor Depression, indem sie uns aufzeigt, was es im Leben noch zu erstreben gibt.

Der Gewinn an Sinnlichkeit durch eine Schulung derselben verfolgt auch keinen weiteren Endzweck. Als sinnliche Individuen sind wir glücklicher und vitaler, wodurch wir auch harmonischer und letzten Endes schöner wirken.

Selbstbildung: Der Weg zu einem schöneren Sein

Selbstbildung: Der Weg zu einem schöneren Sein

Wollen wir uns verbessern, um zweckeffizientere Wesen zu sein oder wollen wir uns bilden, um schönere Wesen zu sein? Viele Menschen streben nach Freiheit und Reichtum und ignorieren dabei andere wichtige Werte in ihrem Leben. Die Schönheit gedeiht aber nur unter einem Optimum an Bedingungen. Für die eigene Lebensgestaltung bedarf es der Selbstbildung, um diese Bedingungen erkennen und kultivieren zu können.

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